Meister und Schüler

AMARYLLIS

27. Vortrag in Tettnang, 13.2.1982

Frage: ,,Braucht man auf dem Weg zu Gott einen lebenden Meister?”

Darauf möchte ich antworten. Ich heiße Aramaton, und Ami ist immer noch sehr ängstlich und fürchtet meine Strahlung. Aber wir haben gestern einen Versuch gewagt in einem anderen Kreise, und er ist, nach meiner Ansicht jedenfalls, sehr gut gelungen. Und deshalb werde ich versuchen, aus Ami zu sprechen.

Diese Frage ist, aus meiner Sicht gesehen, ein... (Amaryllis hat Angst und stöhnt) - Ami! Hab doch keine Angst! Diese Frage - Ami sei jetzt ganz ruhig - berührt ganz fundamentale Gesetze. Ein Wesen fragt: ,,Brauche ich einen lebenden Meister, um heimzukehren in Gottes Herz?” Natürlich! Dich selbst! Ein jedes Wesen hat die Möglichkeit, ganz allein seinen Weg zu gehen und zu finden. Das können wir begründen. Ein jedes Seelenwesen - ganz gleich, ob es inkarniert ist oder ein Frei-Geschöpf im Schwebenden - ist, das wißt ihr doch, ein Urteilchen aus dem Gottesleibe. Aber ein jedes Kind findet doch seinen Vater und seine Mutter. Allerdings setzt das voraus, daß ein Abkömmling auch ähnlich wird oder zum mindesten diese Ähnlichkeit herauskristallisiert aus seinem Gewebe, um einen Spiegel abzugeben seines Ursprungs. Ein Wesen, das inbrünstig fleht und bittet und sich bemüht, alle wunderbaren Eigenschaften in sich zu entwickeln, alles Positive, alles Reine und Schöne, alles was Farben hat und klingt und singt, alles Edle, das in dir schlummert oder aufgewacht ist, zu leben, auszustrahlen, mit dir selbst ganz zu erfüllen - dann vervollkommnest du dich selbst zu deinem Ursprung, der ewig ist. Das heißt, ein Wesen, das sich bemüht, sich selbst zu werden und alles abzustoßen, was ein Wesen verdunkeln kann, das es verfälscht, das es unschön macht, das seine Farben schlecht mischt zum Beispiel, und sich bemüht, das alles fallenzulassen - dann schält es sozusagen diesen Gotteskern aus sich heraus, und dieser Kern in dir der ist Gott, im Allerreinsten. Wie könnte ein Gotteskern nicht wissen, wo seine Heimat ist?! Er hat sie ja einmal besessen.

Es ist allerdings so, daß ein solches Unterfangen eines Wesens auch unter Umständen Hilfe brauchen kann. Das sind vielleicht etwas unreifere Seelen, die vielleicht im Anfang ihrer Laufbahn sind, der Rückkehr in Gottes Herzen, die nur unwissend sind und sehr verdunkelt. Für solche Wesen ist es sehr wertvoll, auch lebende Meister zu erhalten. Wobei wir dieses Wort ,,Meister” eigentlich so interpretieren wollen, daß diese Menschen ein beispielhaftes Leben eines Bruders oder einer Schwester erfassen sollen, um gewisse Richtlinien zu erhalten. Aber das ist nicht gebunden an das, was ihr einen ,,Meister” nennt. Das kann ein ganz unscheinbares Leben sein, das dir plötzlich wie ein Fanal leuchtet, und von dem du sagst: ,,So möchte ich sein! So wie dieses Wesen! Weil ich fühle, dieses Wesen ist mir voraus, dieses Wesen ist auf diesem Wege zu Gott und diesem Wesen möchte ich nachfolgen!”

Das hat aber gar nichts zu tun mit einem detaillierten Wissen zum Beispiel oder mit der Bildung? - nein, das ist falsch - mit einem Studium von gewissen Schriften oder ein Wissen um weitergegebene Weisheit von früheren Meistern, die jedenfalls von sich sagten, sie seien welche oder die von anderen so angeschaut wurden, als ob sie welche wären. Ein Wesen, das sich so verfeint hat, daß ein unmittelbarer Bezug fühlbar ist zu diesen wunderbaren Zentren des Lichtes, dieses Wesen braucht gar nicht wissend zu sein. Das hat dieses Wissen in sich, ein Urwissen; das fühlt dieses Eingebundensein in Gott an sich selbst. Und so kann dir auch ein Wesen, das in keiner Weise irgendwie sich durch Gelehrtheit oder durch Wissen oder durch Studium hervorgetan hat, allein durch seine Strahlkraft, durch seine Leuchtkraft, durch seine menschliche Überzeugungskraft ein Führer sein.

Amaryllis zum Beispiel hat vorhin gestreift ein Menschenwesen, dem sie nacheifern möchte. Ein ganz einfaches Mütterchen, das sie täglich besucht und liebt. Und ich habe oft gehört, wie Amaryllis sagt: ,,So wie du möchte ich sein! So vorbehaltlos gut, so lieb und so in Gott ruhend...” Das ist ein ganz einfaches Menschenkind. Ich sagte einmal “ein unbeschriebenes Blatt,” das eigentlich nur benützt worden ist von seiner Familie, sagen wir es einmal offen, und seinen Freunden, die an ihm saugen und dieses Geschöpf auslaugen. Und trotzdem sagt Ami: “So möchte ich sein!” So ein wunderbarer Mensch kann dir ein Meister sein oder eine Meisterin.
Ein Menschenkind, das sich bewußt aufmacht, diese Lichtstraße zu gehen, ist also nicht angewiesen auf Unterrichtung toter oder lebender Meister. Es ist deine eigene Arbeit, Einsicht, Demut, dein Wille, der ein jedes Menschenwesen führen kann zu Gott - ohne Kirche, ohne Priester, nur allein durch die Krone, die es trägt. Nämlich ein Gotteskind zu sein!

Amen